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IX. "Einteilung nach französischem Fundament"

von Alfred Werner Maurer

Mit seinem Buch über den Schloßbau griff Sturm das Thema dieser aktuellen Bauaufgabe auf und interessierte damit die höfischen Kreise. Er unterrichtete seine Leser sowohl über historische als auch über aktuelle Bauentwicklungen; berichtete insbesondere über die Innenraumgliederung der französischen Schlösser zur Zeit Ludwig des XIV. und plädierte für die französische Raumgliederung. Weil ich aber hier vor Teutschland schreibe, da die frantzösische Lebens-Art fast allzuviel beliebet wird, will ich mich bemühen, die frantzösische Austheilung der Gemächer auf unsere Bequemligkeit einzurichten[1]. In seinen Kupfern publizierte er sowohl einen Schloßgrundriß in italienischer als auch einen in französischer Aufteilung.(Tafel 1 und 2 ) Ich pflege auch alle Einteilung nach französischem Fundament zu machen[2]. Er vertrat damit in Bezug auf Raumfolge und Raumaufteilung den Wechsel von der italienischen mit den verbindenden Galerien um den Hof herum zur französischen Entwicklung, die den verfügbaren Raum ganz mit Appartements belegt und so wenig Gänge anordnet wie möglich. Um bei einer Vier-Flügelanlage der Renaissanceschlösser die um den viereckigen Hof gelegten Flügel an einen Haupteingang anzubinden und jeden Raum einzeln zugänglich zu machen mußten Korridore, Säulengänge oder Galerien angeordnet werden.Diese Grundrißdisposition nach Italienischer Manier wurde in der Barock- und Rokokozeit durch die fränzösische Art, die Enfilade, eine Zimmerflucht mit genau hintereinanderliegenden Türen , ersetzt.
Bei der Grundrißgestaltung der französischen Schloßbauten wurden in den einraumtiefen Flügelbauten mehrere Räume hintereinandergelegt. Bei diesem Grundmuster von hintereinander gestaffelten Räumen mußten zum Erreichen eines Raumes alle anderen Räume begangen werden. Die Kamine zum Beheizen der Räume wurden mittig an den unterteilenden Schmalwänden eingebaut, mit der Folge, daß die Türen auf die Seite zu den Außenwänden   zu liegen kamen. Vgl. die Vier-Flügelanlage Chambord, Grundriß des Schlosses nach Du Cerceau (1576). Durch die Anordnung der Türen auf einer Achse zum Innenhof entstand die Enfilade, die eine Kommunikation der Räume untereinander ermöglichte, den geschlossenen Raumeindruck aber minderte. Die Untergliederung der Flügel durch eine mittlere Längswand in zwei nebeneinanderliegende Raumreihen finden wir in Blois in dem von Franz I. errichteten Flügel. Bei diesen Raumreihen konnte der Hauptraum Salle sowohl am Anfang, in der Mitte als auch am Ende angeordnet sein. In Amboise und Blois wurden die anderen Räume symmetrisch an den Hauptraum zu einem Appartement double zusammengefügt. Mit der Distribution von repräsentativen Treppen in das Corps de Logis anstelle der tratitionellen Treppentürme wurde diese Raumfolge gestört. Die Anordnung von Gängen ermöglichte es, einzelne Räume direkt vom Treppenhaus zu erreichen. Die klassische Raumfolge von Salle, Chambre und Cabinett wurde im Sinne der Commodité variiert, so wurde aus Bequemlichkeit das Cabinett vor die Chambres gelegt. Abgeschlossene Raumeinheiten entwickelten sich durch die Integration der Chambres, Garderobes und Cabinets innerhalb der quadratischen Eckpavillons der Schloßanlagen. Durch die Anordnung zusätzlicher Treppenhäuser gewannen diese Wohneinheiten innerhalb der Gesamtanlage an Eigenständigkeit.
Zu Beginn des 16. Jahrhundert bildete sich das Appartement als feste Raumfolge und repräsentativste Wohneinheit des Corps de Logis aus. Es bestand aus Salle, Chambre und Cabinet. Den zwei Fensterachsen umfassenden Salle wurde ein bzw. zwei untergeordnete Räume, Chambre, angefügt und diesem der kleinste Raum, das Cabinet. Diese so erschlossenen Räume wurden zusammengefaßt zum Appartement simple, bei welchen auch das Schlafzimmer mit zu den Empfangsräumen gerechnet wurde und eine Erschließung der Seitenflügel nur durch diese Schlafzimmer möglich war. Die Herrschaftlichen Personen haben Ihre eigenen „Apartements“, die Hof-mäßig aus „einem oder zwey Anti-Chambres, einem Praesenz- oder Audienz-Gemach, dem Cabinet, dem Schlaf-Gemach und der Garderobe bestehen[3]. Vor diesen von den Herrschaften bewohnten Zimmern befinden sich die Vorgemächer zum Aufenthalt der Hof-Dienerschaft nach Rang .
Bei den hufeisenförmigen Barockschlössern mit dem Saal und dem Treppenhaus in der Mittelachse des ganzen Baues wurde durch Anordnung von prunkvollen Galerien und Korridoren ein Teil der Räume separat zugänglich. F.J. Stengel hat die Zimmergruppen mit teils vom Treppenhaus oder Flur direkt zugänglichen Räumen ausgestattet und zusätzlich im Corps de Logis eine großartige Enfilade für die Zeremonie geschaffen: Die Audienzen seynd hauptsächlich zweyerlei Gattung, öffentliche und particulier=Audienzen. Jene geschehen mit dem vollen Ceremoniel, nach dem Verhältniß, wie es dem Rang und Würde des Regenten so wohl, als dessen, so die Audienz verlangt, gemäß ist. Die privat=Audienzen geschehen entweder ganz ohne Ceremoniel, mit blosser Anmeld=Einführ= und Entlassung dessen, so Audienz bekommt, oder mit einer gewissen ihm angemessenen Art des Ceremoniels, so aber nicht den ganzen Hof, sondern nur ein= und andere hohe oder in der Aufwartung ohnehin stehende Hof=Bediente bemühet.Wann ein Reichs=Fürst bey dem Kayer privat=Audienz hat, fährt er in seinem mit zwey Pferden bespannten Wagen nach Hof, und findet sich, ohne Empfang, in der Kayserlichen Geheimen=Raths=Stube ein, dahin ihn der Kayserliche Hof=Fourier anweißt, welcher ihm vorher Zeit und Stunde zur Audienz angesagt, all da findet er den Obrist=Cämmerer, der ihm in die Retirade zum Kayer führet. Der Kayser gehet dem Fürsten etwa drey Schritt bis in die Mitte des Gemachs entgegen und ist ohnbedeckt, sie reden stehend und bey dem Abtritt begleitet der Kayser den Fürsten ein paar Schritt hinwieder; hernach beurlaubt er sich in der Geheimen=Raths-Stube vom Obrist=Cämmerer und bey der Kayserin vom Obrist=Hofmeister, von welchem er zu Audienz gebracht worden[4].
Die Raumsuite des Fürsten befand sich im rechten Schloßflügel und die der Fürstin im linken Flügel; sie gliederten sich in Anti-Chambre, Chambre d'Audienz bzw. Chambre de Parade, ein oder zwei Cabinets, Chambre à Coucher, Garderobe und Toilette und wurden jeweils durch die großzügige Treppenanlage erschlossen. Im rechten Flügel befanden sich Räume für Gäste der Fürstenfamilie. Die Staatsappartements für den Fürsten und die Fürstin entsprechen dem höfischen Protokoll aus Vorzimmer, Audienzzimmer, Ratszimmer, Kabinet und Schlafzimmer und erfüllen somit die Erfordernisse des Empfangs und des Regierungszeremoniells einer Residenz. In Anlehnung an die Raumfolge in kaiserlichen, königlichen und fürstlichen Schlössern nach dem spanischen Protokoll entspricht die Raumfolge in Saarbrücken der der größeren Schloßanlagen Schönbrunn - 2 Vorzimmer, 1 Audienzzimmer, 1 Retirade, 1 Schlafraum - und Schloß Schließheim - Vorzimmer, Audienzzimmer, Paradeschlafzimmer, großes Kabinett, kleines Kabinett.
Fridrich Carl von Moser beschreibt uns die Funktionen der einzelnen Räume wie folgt: Die Parade=Zimmer dienen zur Versammlung der Herrschaften an Gala=Tägen, und andern Hof=Festen, ingleichen bey Anwesenheit fremder hoher Gäste. Ihren Pracht zeigt schon ihr Nahme an. Sie unterscheiden sich auch von den andern dadurch, daß sie niemahls bewohnt werden, als etwa von Gästen des höchsten Rangs. Das Cabinet bey einem grossen Herrn ist eigentlich das, was bey privat=Personen ihr Wohn=Zimmer ist, dahero der Eintritt in dasselbe noch genauer und ganz eigentlich auf die Leib=Bedienung und die vertraute Personen eines Herrn eingeschränkt ist. In der Gegend des Schlafs=Gemachs und Cabinets stoßt die Garderobbe mit an, in welcher die zu der Leib=Bedienung gehörige Personen sich bey Tag aufhalten, auch einer oder etliche derselben des Nachts schlafen. Dahin steht auch andern vornehm= und geringern Personen des Hofs, welche nicht die Annti=chambern enger machen wollen, der Zugang[5] . Der Zugang zu diesen Räumen war , so berichtet Fridrich Carl von Moser, an großen Höfen durch besondere Zimmer-Reglements geordnet. Die Entree bei Hof, die Erlaubnis, am Hof unangemeldet erscheinen zu dürfen, wird nach dem Grad der Würde der verschiedenen Räume gestattet. Die Entrée hat nach der Hof=Sprache verschiedentliche Bedeutung[6]. Man sagt überhaupt: Er hat die Entrée bey Hof, welches mehr nicht, als die Erlaubniß, bey Hof unangemeldt erscheinen zu dürfen, sagen will. Die so genannte grosseEntrées, wie solche an dem Französischen Hof der Unterschid gemacht wird, gehören in das Teutsche Hof-Recht nicht. Bey uns setzt die Entrée eine Claßification und Rang an Hof zum Grund, nach welchem der Eingang in die nach dem Grad ihrer Würde verschidene Zimmer gestattet wird. Das Schlaf=Gemach hat in Ansehnung der Entrée besondere Rechte und Einschränkungen. Die allgemeinste und sicherste Regel ist: daß der Eingang in dasselbe verstattet wird,
1. Der Gemahlin, oder die an deren statt ist, und den Kindern und Anverwandten des Regenten,
2. dessen Lieblingen und Vertrauten,
3. dem Obrist=Cämmerer oder der dessen Stelle versieht,
4. dem Cammerherrn oder Cammer=Junckern vom Dienst,
5. dem oder denen Leib= oder Cammer=Pagen,
6. dem Leib=Medico,
7. dem oder denen Cammer=Dienern,
8. den geheimen Secretaires,
9. bey R. Catholischen den Beicht=Vätern; dann bey uns Evangelischen familarisiren sich die große Herrn mit ihren Hof=Predigern nicht so sehr[7].
 
Für das gesellschaftliche Leben und zur Wahrnehmung der Regierungsaufgaben an grossen Höfen hat man eigene zu sehr feyerlichen Handlung gewidmete Audienz=Säle, welche bey solchen Gelegenheiten gebraucht werden, wann der ganze Hof einer Audienz mit beywohnet, z.B. bey öffentlichen Anwerbungen, bey Land=Tags-Propositionen, Belehnungen ..... Sonstige Audienzen wurden in den Privatgemächern entsprechend dem Rang des Gastes gewährt: Ordentlicher Weise werden nur offentliche und solenne Audienzen in solchem Gemach gegeben, zur privat=Audienz aber wird man in das ordentliche Wohn=Zimmer oder Cabinet des Regenten geführt. Jedoch gilt auch hierinn wieder der Unterschied zwischen Fremden und Einheimischen[8].Das Saarbrücker Schloß hatte drei Prinzipalgeschosse, zusätzliche Zwischengeschosse, für Bedienstete und Abstellkammern, wie sie der Theoretiker Sturm forderte: ... daß so denn in diesen Zwischen=Geschossen Raum genug sich finden müsse zu den jenigen Gemächlichkeiten, so darinnen gesuchet werden. Diese Gemächlichkeiten bestehen theils in Logirung einiger Bedienten, theils in Wahrung allerhand Geräthes[9]. Diese Gemächer befanden sich, wie man aus dem Mezzanin der Röchling-Plansammlung erschließen kann, in den Dachräumen. Indizien für die Dachraumnutzung sind die Treppen im Nord- und Südflügel. Sie liegen unmittelbar neben den Eckpavillons des Corps de Logis in den Rücklagen der Flügel und führten nur von dieser obersten Etage zum Dachraum. Zur Belichtung der Gemächer der Bediensteten sind die Dachgauben ausreichend.


[1] ) Sturm, L.C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718.
[2] ) Sturm, L.C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718.
[3] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 283.
[4] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 551.
[5] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 290.
[6] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 294.
Man sagt überhaupt: Er hat die Entrée bey Hof, welches mehr nicht, als die Erlaubniß, bey Hof unangemeldet erscheinen zu dürfen, sagen will. Die so genannte grosse Entrées, wie solche an dem Französischen Hof der Unterschid gemacht wird, gehören in das Teutsche Hof=Recht nicht..
[7] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 290.
[8] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754.
[9] ) Sturm, L.C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718.

 

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