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VIII. In Ansehung des Empfangs und Begleitung auf und an den Treppen

von Alfred Werner Maurer

Fürst Wilhelm Heinrich und sein Architekt J. F. Stengel orientierten sich bei der Funktionsgliederung des Schloßbaues in Saarbrücken an dem zeremoniellen Hofleben der Fürstenhöfe des 18. Jahrhunderts. Neben den gewandelten Ansprüchen der Bewohner hinsichtlich des Wohnkomforts sind die neuen Bauunternehmungen auch Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens am Hof, das eine repräsentative Form der Architektur erfordert: Die Treppen dienen, seit dem verändertem Geschmack in der Baukunst und nach Abschaffung der beschwerlichen Wendel- wie auch anderer unbequemen Treppen nicht nur zur Vergrösserung der Pracht eines Schloß-Gebäudes, dessen grosse Zierde sie ausmachen, sondern sie haben auch nicht geringen Einfluß in das Ceremoniel bey Hof überhaupt und gegen Fremde insbesondere[1]. Die Erschließung des Schlosses mit den Treppenanlagen wurde durch das Empfangszeremoniell, Bestandteil der Courtoisie unter Herrschenden, beeinflußt. Auch der von Ludwig XII gepflegte neue Stil in seinen Regierungsgeschäften, die sog. diplomatie ouverte, beeinflußte die Bauweise[2]. Man führte Gespräche auf höchster Ebene und suchte seinem politischen Gegner durch pompöse Empfänge und üppige Feste zu imponieren. Diese politique de prestige des Volois wurde von den Zeitgenossen verstanden und gerühmt. So waren zahlreiche Zeitgenossen wie z.Bsp. Johann Wolfgang von Goethe, Adolf Freyherr von Knigge, Friedrich Rollé und Friedrich Koellner von dem Schloßneubau und der Hofhaltung des Fürsten Wilhelm Heinrich begeistert[3].
Im Corps de Logis befanden sich auf der Hofseite links und rechts des Mittelpavillons zwei repräsentative Haupttreppenanlagen[4]. Diese Treppenhäuser liegen in den Rücklagen und sind symmetrisch gestaltet. Von der Cour d’honneur betritt man über eine dreistufige Freitreppe das Grand Vestibul. Zur Gartenseite liegt die Sala terrena (Gartensaal). Der Zeremonialweg führte vom Portal, über die Cour d´honneur, den Ehrenhof, in das Corps de Logis und von der Vorhalle über Escalier d´honneur, die Ehrentreppe, zu den Audienzräumen der Fürstenfamilie in der Beletage. Von dort aus weiter ins Mezzanin zum prachtvoll ausgestatteten Grand salon. Bei der Residenz war es üblich, im Gegensatz zu den Maisons de Plaisance, in denen die Wohn- und Prunkräume meist ebenerdig lagen, diese im Obergeschoß anzuordnen.
Die Grundrißdisposition des Corps de Logis entspricht der Commodité. Die Mittelfiguration, bestehend aus dem Gartensaal und dem Vorsaal, der über die Treppenhäuser unmittelbar mit den Staatsappartements und den Sälen verbunden war. Die Treppen selbst seynd ihrem Gebrauch nach unterschieden; wie man Parade=Zimmer hat, so hat man auch Parade=Treppen, (ob sie gleich disen Nahmen nicht haben) welche bey fremden hohen Besuch, solennen Audienzen der Gesandten und andern grossen Feyerlichkeiten gebraucht werden, wie dann solchen falls auch die Gardes zu beyden Seiten postirt zu werden pflegen. In Ansehung des Empfangs und Begleitung auf und an den Treppen, so weit das Ceremoniel dabey einschlägt, findet sich in denen im IVten Capitel des dritten Buchs angeführten Exempeln[5]. In den Röchlingplänen sind diese Parade=Treppen im Rez-de-chausseé mit Grand Escalier und in der Beletage mit Escalier bezeichnet. Die Treppenhäuser waren in jedem Geschoß durch jeweils drei Fenster belichtet und belüftet. Diese Lage ermöglichte die Anordnung des Etagenpodestes entlang der Außenfront. Das Podest war gleichzeitig der verbindende Flur zwischen Mittelpavillon und NO- bzw. SO-Pavillon. Durch diese Treppendisposition im Innern konnte im Hof die gleichmäßige Fassadengliederung von Seitenflügel zum Corps de Logis beibehalten werden. Der Wechsel der Fensterformen bleibt dem Mittelpavillon vorbehalten, so daß die Schloßmitte akzentuiert erscheint.
Die Anlage von zwei gleichwertigen großzügigen Treppenhäusern links und rechts der Hauptrepräsentationsräume entdecken wir vergleichsweise imSchloss Vaux-Le-Vicomte, Schloss Dornburg und Schloss Ludwigsburg   (von Donato Guiseppe Frisoni).
Eine dreiläufige Treppe neben dem Vestibul und zum Ehrenhof hin gelegen ist in dem Architektenlehrbuch Blondels mit Entwurfsbeispielen zur Baukunst der Maison de Plaisance dargestellt[6]. Der Treppenhaustyp und seine formale Ausgestaltung ist im Detail bei Blondel nachweisbar. Die Stufenform, die Treppenwange und der Treppenanfänger stimmt in Einzelheiten mit der Darstellung Stengels in den abgebildeten Röchlingplänen und mit der Ausführung in Dornburg überein[7]. Diese Planunterlagen und die noch erhaltene Treppenanlage des Schwesternschlosses ermöglichen es, einen räumlichen Eindruck der Wirkung der Treppe zu vermitteln. Diese 1793 zerstörten Treppenhäuser des Saarbrücker Schlosses sind 1810 von A. Knipper bei den Umbaumaßnahmen abgebrochen worden und in originaler barocker Substanz nicht erhalten.
Zur zusätzlichen vertikalen Erschließung von Räumen empfiehlt von Moser:  So dann seynd die zu der nöthigen Communication nöthige gewöhnliche Haupt= und Neben=Treppen, endlich die geheime Treppen (escaliers derobés) in den Zimmern der Herrschaft selbst[8]. Solche Nebentreppen befinden sich in den 3 Geschossen der Seitenflügel. Die Systematik des Grundrisses wird noch durch die Anlage von zwei Nebentreppen im Mezzanin zur Erschließung des Dachgeschosses in der ersten Fensterachse neben den beiden Eckpavillons des Corps de Logis unterstrichen.


[1] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 286
[2]Melot, M. Politique et Architcture. Essai sur Blois et le Blésois sous Louis XII., Gazette des Beaux-Arts 109, 1967, pp. 317-128.
[3] ) Goethes Werke, hg. Von Erich Trunz u. Lieselotte Blumenthal, 1. Aufl. Hamburg 1955, 9. Dichtung und Wahrheit , S. 419. Adolph Freyherr von Knigge, Briefe, auf einer Reise von Lothringen nach Niedersachsen geschrieben, Hannover 1793, S. 16.- Friedrich Rollé, Sammlung von den meisten wohlthätigen Handlungen für Stadt und Land des Herrn Fürsten von Nassau-Saarbrücken, 1973, MittHisVSaar 6, 1899, S. 10.- Friedrich Koellner , Etwas zum Zeitvertreib in den Wintermonaten des Jahres 1810,   ArchSammlHV Hs. Nr. VIII, 54, S. 97 f. 107.
[4] ) Baupathologische Untersuchungen des Verfassers an den Innenwänden haben die Nahtstellen im Mauerwerk, wo die Treppenstufen und Podeste eingebunden waren, erkennen lassen. Bei dem Freilegen der ehemaligen Querwände des Mittelpavillon hat der Verfasser Stuckreste des ehemaligen linken Haupttreppenhauses vom Rez- de -Chaussée zur Belletage entdeckt, konserviert und als Dokument der Geschichte bei der Renovation einbezogen. Dieser Befund bestätigt das Vorhandensein der Treppenanlage entsprechend den Originalplänen und gibt zusammen mit den ebenfalls restaurierten Torbögen des Rez-de- Chaussée und der Belletage zwischen den Rücklagen des Corps de Logis und dem NO-Pavillon und SW-Pavillon   noch heute lebhaftes Zeugnis von dem Vestibül vor den Grands escaliérs.
[5] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 286.
[6]Blondel, Jaques-Francois, "De la distribution des Maison de Plaisance et de la Décoration des edifices en general, Paris 1737,
Band 1,4,Teil, Planche 82, Seite 129, Entwurf für ein Maison de Plaisance, Grundriß Rez-de-chausée.
[7] ) Blondel, Jaques-Francois, "De la Distribution des Maison de Plaisance et de la Décoration des édifices en general, Paris 1717, Band II "Plan du premier etage decorations d'escalier donnees dans les plance 88 et 89", S. 161
[8] ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 286.

 

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